Isch 'abe gar keinen Drehmomentschlüssel.
Wird jetzt ein etwas ketzerischer Beitrag .....
martin.k hat geschrieben: ↑vor 1 JahrUnd vorher KEIN Fett oder Wasser an die Gewindeverbindung!
Wasser?
Aber Fett: Oh ja! Unbedingt! Ich montiere keine Schraubverbindung, die nicht zuvor eingefettet wurde, sobald sie im Betrieb feucht oder nass werden könnte. Ich möchte die auch nach mehreren Jahren wieder auseinanderbekommen ohne Flex und ohne dass die Schraube oder der Bolzen abgeschert wird. (Ja, das gilt auch für Radscchrauben/-muttern.
)
Damit kommmen wir zum Punkt: Was meint Ihr, warum es Drehmomentangaben für alle möglichen Schraubverbindungen am KFZ gibt?
Damit Alfons, Karle, Schorsch oder Luigi am Band seine Schrauben so schnell es geht festziehen kann. Dat muss automatisch gehen, ohne dass Alfons oder Karle oder Schorsch oder Luigi nachdenken müssen oder ihr Gefühl beanspruchen. Das würde dann nämlich wertvolle Zehntelsekunden der Taktzeit kosten und die ganze Produktion verteuern. Außerdem kann man dann sehr schön automatisiert jeden Schraubvorgang dokumentieren. Und natürlich wird im Werk keine Schraubverbindung eingefettet. Warum? Siehe oben....
Wir dagegen haben mehr Zeit als Alfons, Karle, Schorsch oder Luigi und können es uns leisten, die Schrauben einzuölen oder (besser) einzufetten. Und schon stimmen die so exakt klingenden Drehmomentangaben aus der Serienproduktion nicht mehr. (Die stimmen übrigens auch nicht, wenn Du eine verrostete Mutter wieder auf einen krummen Schraubbolzen quälst.) Sie stimmen eben nur ungefähr für die Verhältnisse in der Serienproduktion. Und selbst da hat jeder Ingenieur seine eigene Methode, Toleranzen zu berücksichtigen. Aber irgendeinen Wert braucht man ja, auf den man den automatischen Schrauber einstellen kann.
Mit anderen Worten: Für die Wieder-Montage halte ich die Drehmomentangaben für wertlos. Es geht doch beim Schrauben darum, dass die Verbindung fest genug ist, um sich nicht durch Vibrationen zu lösen und gleichzeitig nicht so fest gezogen, dass der Bolzen oder die Schraube abreißt. Klar, Binsenweisheit. Das heißt, der Bolzen oder die Schraube muss im elastischen Bereich gedehnt werden. Ich würde sagen, bis ca. 70 % der Streckgrenze. Hört sich jetzt sehr kompliziert und wissenschaflich an. Wer aber oft genug geschraubt hat, bekommt das von ganz alleine ins Gefühl. Man merkt doch, wenn die Schraube oder Mutter "auf Block geht", es kurz danach schwerer wird, sie zu drehen und wie dann das Drehmoment zunimmt. Und bei einer geölten oder gefetteten Schraubverbindung hört man ganz intuitiv bei geringerem Drehmoment zu drehen auf als wenn die Schraube schon von vornherein schwer ging. Im Handbetrieb hat man ja als weiteres Kriterium, neben der Drehmomentzunahme, den Winkel, den man die Schraube drehen muss, nachdem sie auf Block ging. Auch das geht im Laufe der Zeit ins Gefühl ein.
Wenn man jetzt noch bedenkt, dass beim Anziehen von Schrauben (Größenordnung!) drei Viertel bis 90 % des Drehmoments für die Überwindung von Reibung aufgewendet werden und nur die restlichen ca. 10 bis 25 % in die Vorspannung der Schaube gehen, wenn man weiterhin bedenkt, dass der Reibwert im Bereich 1:3 variieren kann (in Drehmomenttabellen werden Reibwerte von µ = 0,08 bis µ = 0,24 aufgeführt), dann könnt Ihr Euch vielleicht vorstellen, dass die Randbedingungen viel mehr ausmachen als die exakte Einhaltung des "vorgeschriebenen" Drehmoments. Diese Drehmomentwerte können eben nur für exakt vorgegebene Montagebedingungen gelten, die bei der Wiedermontage - z. B. unter dem Auto liegend - nicht mehr vorkommen.
Daher, schmeißt den Drehmomentschlüssel in die Ecke und lernt, das Schrauben-Anziehen ins Gefühl zu bekommen. Man kann relativ leicht lernen, zu fühlen, wann die Schraube oder der Gewindebolzen beginnt, sich zu dehnen. Und rechtzeitig vor Erreichen der Streckgrenze aufzuhören, lernt man auch im Laufe der Zeit. Wer das geschafft hat, kann viel exakter schrauben als mit Drehmomentschlüssel nach Vorgabewerten.
Klar, es gibt Ausnahmen. Das Anziehen von Zylinderkopfschrauben muss nach exakt vorgegebenem Muster erfolgen, weil dort meist Dehnschrauben verwendet werden. Aber darum geht es ja in diesem Thread nicht, denke ich.
Gruß
Matthias